jede Kirche ein Original 

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Die Prager Schmuckstücke von Kilian Ignaz Dientzenhofer, dem Star der Barockarchitektur.

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Die majestätische Barockkuppel mit dem schlanken Glockenturm der St.-Nikolaus-Kirche, die sich unterhalb der Prager Burg erhebt, ist aus dem Panorama des heutigen Prags nicht mehr wegzudenken. Doch sie ist nur eines von fast zweihundert Schmuckstücken, die der talentierte Kilián Ignác mitgestaltet hat und die der tschechischen Landschaft über die Jahrhunderte hinweg ihr charakteristisches Gepräge gegeben haben. Wer sich für die Grandiosität und Dynamik der Epoche großer Perücken begeistern kann, sollte zumindest eine ihrer Prager Kirchen besuchen.

Das Baumeistergeschlecht der Dientzenhofer stammt aus dem Kurort Bad Feilnbach in Bayern. Aus ihren Reihen gingen sieben Baumeister hervor, von denen die Architektur des europäischen Barocks maßgeblich beeinflusst wurde. Das Oberhaupt der Familie, Kryštof Dientzenhofer, kam 1685 nach Prag, wo er Anna, die Tochter des Baumeisters Jan Jiří Aichbauer, heiratete und damit ein etabliertes Bauunternehmen erwarb. Ihr letztes, fünftes Kind war Kilián Ignác, der nicht weit von der Karlsbrücke entfernt geboren wurde. Er studierte Philosophie und Mathematik an der Universität Prag und ging dann ins Ausland, um Erfahrungen zu sammeln. Er hielt sich in Wien, Venedig, Rom, Mailand, Florenz und Neapel auf. Von diesen Reisen brachte er ein Gespür für Ornamentik und Detailgenauigkeit mit nach Prag, das sich in den prächtigen Barockbauten der Stadt widerspiegelt. 

Seine ersten Erfahrungen sammelte er 1716 unter der Aufsicht seines Vaters beim Bau des Klosters Břevnov, in dem Benediktinermönche wohnten und arbeiteten. Der Prior des Klosters wurde bald zu seinem Freund, lieh ihm oft seine Kutsche für seine Reisen in Böhmen und hielt seine Untergebenen an, für die Gesellschaft eines gelehrten Mannes in der Kutsche zu sorgen, denn der Baumeister diskutierte gern über Theologie. Die Basilika St. Margareta ist ein nationales Kulturdenkmal. In der Brauerei des Klosters wird seit 993 Bier gebraut, was sie zur ältesten Stätte der Bierherstellung in der Tschechischen Republik macht. 

Der Höhepunkt seines Schaffens und Prags wertvollstes Beispiel barocker Architektur ist die St.-Nikolaus-Kirche auf dem Kleinseitner Platz. Insgesamt drei Generationen der Familie Dientzenhofer waren an ihrem Bau beteiligt, der fast ein Jahrhundert dauerte. Ihre Monumentalität wird durch eine massive, kühn gestaltete Kuppel betont. Sie wird durch den schlanken St. Nikolaus-Glockenturm der Stadt ergänzt, der auch als Feuerwache diente und der letzte Meldeturm in Prag war. Seit den 1960er Jahren diente er der Staatssicherheit als Beobachtungsposten, um die in der Nähe des Turms gelegenen westlichen Botschaften zu überwachen. Heute ist er für die Öffentlichkeit zugänglich und bietet einen beeindruckenden Blick auf die Dächer der Häuser der Kleinseite und beherbergt eine Ausstellung der Wohnung des Turmwächters mit der sogenannten schwarzen Küche. 

In Prag schuf Kylián Ignác Dientzenhofer die wohl schönste Barockbibliothek der Welt und die Spiegelkapelle im Klementinum. Die Bibliothek ist seit 1722 in Betrieb und bewahrt in ihrem Tresor unter den erhaltenen Bänden eine der seltensten illuminierten Handschriften der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts in Europa, den Codex Vyšehradensis, der Teil des tschechischen Nationalschatzes ist. In der Bibliothek befinden sich zwölf Globen, die zum UNESCO-Weltkulturerbe gehören. Die Spiegelkapelle verdankt ihren Namen dem Abglanz der kostbaren Spiegel, an deren Verzierung nicht gespart wurde. Zusammen mit farbigem Marmor, Fresken und vergoldetem Stuck unterstreichen sie die Schönheit der barocken Architektur. Diese verzauberte mit der ausgezeichneten Akustik sogar W. A. Mozart, der bei seinem Besuch im Klementinum angeblich nicht widerstehen konnte und auf der wunderschön klingenden Orgel spielen musste. 

Barocke Bibliothek des Klementinums, Foto: Martin Faltejsek

Ein weiteres Werk Dientzenhofers ist die St. Nikolauskirche am Altstädter Ring, die aufgrund ihrer imposanten Höhe unter anderem für Seilakrobatikvorführungen in ihrer Kuppel genutzt wurde. Im Jahr 1791 wurde sie Zeuge eines Kunststücks des französischen Luftakrobaten Jean-Pierre Blanchard, der den hölzernen Steg von einem Turm zum anderen überquerte. Später diente die Kirche bis 1914 der orthodoxen Kirche, wie der von Nikolaus II. geweihte monumentale Kronleuchter in Form der Zarenkrone zeigt. Seit 1920 werden die Räumlichkeiten der Kirche von der tschechoslowakischen Hussitenkirche genutzt. 

Unweit der Prager Burg befindet sich ein weiteres Bauwerk Dientzenhofers, der Loreto-Wallfahrtsort mit dem Heiligen Haus, der Geburtskirche des Herrn, einer Schatzkammer, einem Uhrenturm und dem weltberühmten Glockenspiel, das stündlich das Marienlied erklingen lässt. Um die 27 holländischen Glocken und die kuriose Holzstatue des Heiligen Wilgefortis ranken sich zahlreiche Legenden und Sagen. Diese Figur eines bärtigen gekreuzigten Mädchens in einem bestickten Gewand, die auf dem Seitenaltar der ältesten Eckkapelle der Schmerzreichen Muttergottes versteckt ist, hat seit dem 17. Jahrhundert viele Schriftsteller und Dichter inspiriert. 

Kilián Ignác Dientzenhofer baute jedoch nicht nur in Prag, sondern in ganz Böhmen. In bequemer Fahrdistanz von Prag kann man zum Beispiel den Wallfahrtsort Svatá Hora (Heiliger Berg) bei Příbram besuchen, für den der berühmte Architekt die ikonische Treppe zum Heiligen Berg entwarf. Die beste Verbindung von Prag aus ist mit dem Bus vom Bahnhof in Smíchov. Einen Besuch wert ist auch Stará Boleslav, der älteste Marienwallfahrtsort der Tschechischen Republik und Ort des Martyriums des Landespatrons, des Heiligen Wenzel. Kilián Ignác Dientzenhofer war am Bau der Basilika Mariä Himmelfahrt (Westfassade und Südturm) beteiligt und entwarf die Kapelle des Seligen Podiven. Stará Boleslav ist mit dem Vorortbus vom Terminal Prag – Černý Most schnell und bequem zu erreichen. 

Dientzenhofer errichtete mehr als zweihundert Bauwerke in der Tschechischen Republik, die wir noch heute bewundern können. Nach seinem Tod im Dezember 1751 wurde er in der Familiengruft in der Kirche St. Maria Magdalena in der Karmelitská-Straße beigesetzt, in der sich heute das Tschechische Musikmuseum befindet. 

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