das Geheimnis der Prager Hauszeichen 

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Der Zauber der Kleinseite und des Hradschin, dem Viertel der Künstler, Maler und Baumeister.

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In keinem anderen Prager Stadtteil gibt es so viele schöne Paläste und Plätze wie hier auf der Kleinseite. Das Leben und die Entwicklung einer der vier mittelalterlichen Städte, die die Basis des heutigen Prags bilden, wurde in der Vergangenheit vor allem durch die Nähe der Burg, dem Verwaltungszentrum des Landes, beeinflusst. Im Gegensatz zu den verwinkelten Gassen der Altstadt versprühen die Kleinseite und der Hradschin einen ganz anderen Charme. Während am rechten Moldauufer Handwerker, Kaufleute und Beamte lebten, waren in der Vorburg Künstler, Maler und Bauherren zu Hause. Und vor allem der Adel.

Die Straßen, die nach dem Handwerk benannt sind, kann man heute schon an einer Hand abzählen. Vielleicht hat nur die Ziegelstraße (Cihelná) in der Nähe der Karlsbrücke ihren sprechenden Namen beibehalten, denn hier wurde seit Urzeiten Ton für die Herstellung von Ziegeln und Dachziegeln abgebaut. Die moderne Ziegelei wurde hier 1781 von dem bekannten Prager Unternehmer František Leonard Herget erbaut und beherbergt heute das Franz-Kafka-Museum, ein Restaurant und Ausstellungsräume.

Am 2. Juni 1541 wurde die Kleinseite von dem verheerendsten Brand ihrer Geschichte heimgesucht. Die Säumigkeit der Schuldigen, die außergewöhnliche Trockenheit und Hitze, Holzbauten und mit Heu und Stroh gefüllte Ställe trugen dazu bei, dass das nicht zu löschende Element 133 der 211 Kleinseitner Häuser, Kirchen, darunter den Veitsdom, den gerade fertiggestellten Vladislav-Saal und den Ludvík-Flügel der Prager Burg in Schutt und Asche legte. Etwa zwei Dutzend Menschen fanden in dem feurigen Inferno den Tod. Der Brand, einer der schlimmsten in der Geschichte Prags, hatte jedoch auch eine positive Auswirkung: Er machte paradoxerweise Platz für die aufkommende Renaissance, die den Kern der Gebäude am linken Moldauufer bildete, und die Kleinseite verwandelte sich in eine einzige große Baustelle. Anstelle von kleinen Häusern entstanden monumentale Paläste, repräsentative Gebäude und Kirchen. Noch stärker florierten die Bauarbeiten und der Umbau in der Blütezeit des Barocks.

Heute sind die Straßen der Kleinseite und des Hradschin oft nach den ehemaligen Besitzern der riesigen und luxuriösen Paläste benannt: Thunovská, Valdštejnská, Černínská, Chotkova oder Šporkova. Diese Namen wurden ihnen aber meist erst im 19. Jahrhundert gegeben; die damaligen Bewohner hatten mit dem Erkennen der Paläste und Häuser kein Problem. Denn lange bevor Maria Theresia 1770 die Nummerierung der Häuser anordnete, war es üblich, Bürger- und Kaufmannshäuser durch ein Zeichen zu unterscheiden: Man malte ein Hauszeichen als Teil der Zierfassade auf die Stirnseite, meist direkt auf den Putz oder einen Holzgiebel. Es hatte größtenteils die Form einer Stein- oder Holzskulptur oder eines Steinreliefs, wobei Darstellungen von Tieren, Pflanzen, Gegenständen, Handwerken und Himmelskörpern beliebt waren. Die goldene Farbe gab dem Haus ein Zeichen des Reichtums oder drückte im Gegenteil den Wunsch nach Reichtum aus; oft spiegelte sich das Zeichen im Namen des ganzen Hauses wider; nur auf dem Weg zur Prager Burg entlang der Nerudova-Straße stoßen Sie auf das Haus der drei Geigen, das Haus der zwei Sonnen, das Haus des roten Löwen, das Haus der grünen Krabbe, der weißen Rübe, des roten Lamms, des goldenen Hufeisens, des goldenen Rades, des goldenen Kelchs oder des weißen Schwans.

Die Häuser haben meist eine interessante Geschichte und obendrein sind mit ihnen unglaubliche Vorkommnisse und Mythen verbunden. Im letztgenannten Haus lebte Matěj Provazník, der angeblich zu Beginn des 17. Jahrhunderts einen Schwan auf die Fassade malen ließ. Es heißt, sein Vater sei im Alter verwirrt gewesen und habe in dem Glauben gelebt, dass ihn alle bestehlen wollten. Ständig versteckte er das gesamte Familienvermögen von einem geheimen Ort zu einem noch geheimeren Ort, bis er das Geheimnis seines letzten Verstecks mit ins Grab nahm. Vergeblich suchten die Hinterbliebenen nach dem Familienvermögen, der Schatz schien im Boden versunken zu sein. Matěj wurde von dem Gedanken gequält, dass er das Haus in schweren Zeiten irgendwann würde verkaufen müssen. Nachts wälzte er sich hin und her, bis er eines Tages in einen unruhigen Schlaf fiel. Im Halbschlaf flog ein weißer Schwan zu ihm, watschelte in die Ecke der Küche, blieb einen Moment stehen, krächzte und verschwand dann. Derselbe Traum wiederholte sich in der nächsten Nacht. Matěj ließ das keine Ruhe und durchsuchte die Ecke der Küche ganz genau. Ein dünner Riss verriet ihm, unter welcher Fliese das verlorene Erbe lag.

In Prag gibt es über 260 erhaltene Hauszeichen. Das beliebteste unter Pragern und Touristen ist aber wohl das Haus mit dem goldenen Tiger über dem gotischen Portal in der Husova-Straße in der Altstadt. Böse Zungen behaupten allerdings, dass dies eher am hochgepriesenen Pilsner Bierlokal im Erdgeschoss liege…

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