Der in seiner Art einmalige Gebäudekomplex des Carolinums mit seinem gotischen Kern erhielt im 18. Jahrhundert durch den Umbau von F. M. Kaňka ein barockes Aussehen. Der Architekt und Professor der Akademie der bildenden Künste, Jaroslav Fragner, verlieh dem Sitz der Karlsuniversität sein heutiges Aussehen. Er bewahrte alles architektonisch Wertvolle und schuf einen neuen Raum für die betrieblichen Bedürfnisse einer modernen Universität. Die Rekonstruktion, die durch den Zweiten Weltkrieg verzögert wurde, betraf nicht nur das historische Gebäude des Carolinums selbst, sondern auch andere zum Komplex des Carolinums gehörende Gebäude. Bei der Erneuerung in den Jahren 1946—1950 wurde der Hörsaal um etwa ein Drittel verlängert und mit Tribünen und Sesseln für den akademischen Hof ausgestattet. Die schwierigste Phase der Rekonstruktion endete in den späten 1950er Jahren mit der Umgestaltung des Innenhofs in seine ursprüngliche gotische Form mit Ziegelarkaden und einer Empore. Nach dem Projekt von Fragner entstand in den Jahren 1963—1968 auch der Rektoratseingang zum Obstmarkt hin. Die Erneuerung des Carolinums und seines Areals ist zweifellos der Höhepunkt von Fragners Werk und eines der bedeutendsten Werke der tschechischen Architektur des 20. Jahrhunderts. Jaroslav Fragner Rekonstruktion und Fertigstellung des Carolinums in Prag, 1945—1968 Ovocný trh 3, Praha 1 — Staré Město Fragners Ernennung zum Professor für Architektur an der Akademie der bildenden Künste in Prag, wo er 1945 die Nachfolge des verstorbenen Josef Gočár antrat, öffnete dem bereits renommierten Architekten den Weg zu fulminanten staatlichen Aufträgen. Den ersten, die Rekonstruktion des Carolinums, eine prestigeträchtige, aber äußerst verantwortungsvolle Aufgabe, nahm er mit einer „poetischen Vision“ in Angriff. Er übernahm den riesigen Gebäudekomplex nicht nur in einem vernachlässigtem Zustand, sondern auch gezeichnet von den Eingriffen, die der Architekt Josef Zasch in den letzten Kriegsjahren vorgenommen hatte. Die Tatsache, dass das Grundmauerwerk bereits gesichert war, während das Maßhaus und ein Teil des Kreuzgangs durch unsensible Eingriffe beeinträchtigt worden waren, veranlasste Fragner, die übrigen Räume in dem Zustand zu belassen, in dem er sie vorfand. Er befreite sie allerdings von ballastartigen Ablagerungen nach der Methode der analytischen Denkmalpflege, die „seiner Auffassung von Tradition als einer Kette moderner Leistungen in verschiedenen zeitlichen Stilen, jedoch auf derselben Wertebene“ entsprach. Er ergänzte die wiederhergestellten gotischen, barocken und anderen Elemente, die er für wertvoll hielt, sensibel mit zeitgenössischen, skandinavisch inspirierten Details und Formkreationen, die die jeweilige historische Epoche evozieren und gleichzeitig die Gegenwart repräsentieren. Am deutlichsten wird dies in den feierlich geschmückten Innenräumen des ersten Stocks, die im imposanten Großen Saal mit seiner faszinierenden Decke gipfeln. Obwohl dieses hölzerne Velum in Sinusform vor allem eine ästhetische und symbolische Funktion hat — es teilt den einheitlichen Raum optisch in einen Auditoriums- und einen Zeremonienbereich — hat Fragner damit auch brillant die Akustik und die neue Stahlbetondecke gemeistert. Der Baldachin, der über dem Zeremonienbereich mit silbernen Wappen der böhmischen Länder aus der Zeit Karls IV. von Jan Lauda verziert ist, wurde von den Seitenwänden zurückgesetzt, so dass indirektes Licht durch die Zwischenräume eindringen kann. Seine Quellen integrierte er in die Zasche-Konstruktion, die auch die zentralen Kronleuchter trägt und zusätzlich die Funktionen der Warmluftheizung und der Tonanlage übernimmt. Mit der Rekonstruktion des Carolinums, dessen erste Phase 1950 abgeschlossen wurde, arbeitete der Architekt parallel an der Wiederherstellung eines weiteren, mit der Universität verbundenen Denkmals. Der Wiederaufbau der Bethlehemskapelle, genauer gesagt der Bau einer Reminiszenz an sie, einschließlich der Predigerhäuser, war seine zweite Aufgabe von nationaler Bedeutung, die diesmal durch die Nichtexistenz der Kapelle und das Fehlen von Aufzeichnungen über ihr Aussehen erschwert wurde. Jaroslav Fragner (1898—1967) Er studierte an der Hochschule für Architektur und Bauingenieurwesen der Tschechischen Technischen Universität in Prag (1917—1922), brach sein Studium jedoch aufgrund von Meinungsverschiedenheiten mit Professor Antonín Engel ab. Anschließend arbeitete er kurz im Atelier von Karel Honzík und war ab 1922 als selbstständiger Architekt tätig. Den Titel erwarb er erst 1935 in Gočárs Meisterklasse an der Akademie der bildenden Künste in Prag. Er war Mitglied der Puristischen Vier, der Künstlervereinigung Devětsil (ab 1925 Verband moderner Kultur Devětsil) und des Verbands bildender Künstler Mánes. Von 1940 bis 1956 war er dessen Vorsitzender und vertrat dessen Architektursektion im wiederbelebten Block der progressiven Architektenverbände (BAPS). 1945 wurde er zum Professor für Architektur an der Akademie der bildenden Künste ernannt, die er von 1954 bis 1958 als Rektor leitete. Zudem war er 1953—1956 Vorsitzender des Verbands der tschechoslowakischen Architekten. Er war Träger des Staatspreises, des Ordens der Arbeit und des Titels Nationalkünstler. Dem Buch Architektur 58—89 entnommen Konzept der Publikation, Herausgeber, Autor der Diskussionen: Vladimir 518